Race Around Slovenia 9. - 12. Mai 2013
Pierre konnte beim Race around Slovenia, einem Langstreckenrennen entlang der Grenzen Sloveniens über eine Strecke von über 1.200 km und knapp 15.000 Höhenmetern, nach etwas über 50 Stunden sich den sechsten Platz sichern. In dem Trailer erhaltet ihr einen Eindruck über das Leid und die Freude bei solch einem Rennen. Hier findet ihr den Bericht von Pierre.
Nach vielen Empfehlungen von einigen Ultracycling-Freunden wollte auch ich mich der Herausforderung Race Around Slovenia stellen. Dies bedeutet 1230 Kilometern mit knapp 15.000 Höhenmeter. Allein gegen sich selbst. Als persönliches Ziel für diese Strecke habe ich mir ein 27er Schnitt -> etwas weniger als 45 Stunden gesetzt. So stand ich dann ab 20:51 als Vorletzter der Solofahrer an der Startrampe und erfreute mich über die etwa 300 Zuschauer am schönen leicht bedeckten Startzielort Postojna. Von Beginn an bin ich bis zur Pulsschwelle von 170 gefahren und konnte mich selber überraschen und auf den ersten 160 km einen 35er Schnitt fahren, ohne mich zu sehr zu verausgaben. Die Stimmung an der Strecke ermutigte zudem das zügige Vorankommen, sodass auch die etwa 10 Extrakilometer wegen des Verfahrens meine Laune nicht sonderlich trügen konnten. So kam ich dann wenigstens in den Genuss, öfters an meinen Mitstreitern vorbeizufliegen. Stets wellig ging es dann der 200 Kilometer-Marke entgegen, wo der erste echte Gipfel auf meinen Angriff wartete. Doch in diesem Moment fing mein Magen an, die Essenskombination aus der letztjährigen Erfahrung beim Race Around Austria mit jeder Stunde Flüssignahrung und etwas Festes, abzustoßen. Mein Magen zog sich so arg zusammen und schmerzte, dass ich erst mal 10 Minuten Bauchlage gemacht habe, um ihn zu beruhigen. Mein Betreuerteam, bestehend aus Julia, Dagmar und Gabi empfahlen mir, bis zur nächsten Tankstelle durchzukämpfen und dort mit Tee ein bisschen dem Magen zu sortieren. Hierbei kroch ich den Berg förmlich hoch und musste neidvoll ansehen, wie die Konkurrenz nun an mir vorbei“flog“. Ich beruhigte mich mit der Tatsache, dass ich nun nur noch 1000 km fahren muss. Mit den allerletzten Reserven sind wir um 6:30 Uhr an der Tankstelle angekommen und ich habe mich sofort bauchwärts gelegt und konnte mit beruhigendem Magen sogar 10 Minuten schlafen. Ab hier begann für mich dann ein neues Rennen. Langsam einrollen und schauen was der Magen nun vertragen kann. Ich aß ab jetzt nur noch Nutellabrote, Nudeln und Brei und ich kam mehr und mehr zu einem normalen Befinden. So konnte ich pünktlich zum Jure Robic Cup 90% meiner Ausdauerleistung abrufen, sodass nun wieder die anderen Soloathleten diejenigen waren, die neidvoll auf meinen Formanstieg schauten. Die 800 Höhenmeter mit 26 Kehren haben mir gut getan und der Regen bei der Abfahrt hat dafür gesorgt, dass auch ich mal langsam abwärts fuhr, da die dortigen 22 Kehren alle aus Kopfsteinpflaster bestanden. Mit neuem Mut und guter Laune (auch vom Magen) bin ich meinen Rhythmus gefahren und habe Kilometer um Kilometer im hügligen, mal nassem, mal trockenem, Terrain abgespult. Beim „Abspulen“ bin ich auch sehr von dem Münchener Team, The Mind have No Limits, gepushed worden. Denn bergauf konnte ich noch wunderbar mithalten, nur im flachen Terrain waren die mit Trek Domane ausgestatteten Fahrer stärker als ich, da mir zu diesem Zeitpunkt der nötige Druck für das Flachfahren fehlte. -> Motivierend war auch die Bemerkung vom Betreuerteam der Münchener, sie hätten sich auf meiner Homepage über mich informiert und beschrieben mich als eine coole Socke. Allmählich kam bei bewölktem Himmel die zweite Nacht. Zum Glück ging es hierbei direkt in einen langen Anstieg, sodass ich von der Dämmerung nichts mitbekommen habe und mich nur auf den Anstieg konzentrieren konnte. Bei neblig feuchten Straßenverhältnissen ging es wie immer rasant bergab und mein Begleitfahrzeug fuhr sehr respektabel hinter mir her, sodass ich immer perfekt ausgeleuchtete Straßen vorfand, um den diversen Schlaglöchern ausweichen zu können. Die zweite Nacht war dann mein persönliches Highlight. Ich begann zu Halluzinieren. Die Risse im Asphalt ließen in meinem Kopf komische Straßenmalereien entstehen, die Straßenpflanzen sahen aus wie die sprechende Fleischfresserpflanze der Rocky Horror Picture Show. Leitpfosten sahen aus wie Betreuer und müde, ja müde war ich auch! Um 2 Uhr nachts gab es dann eine kleine Rettung gegen die Müdigkeit. Ein kleines Lokal, wo die Besucher die Radfahrer anfeuerten, hatte seine Kaffeemaschine noch im Betrieb und ich gönnte mir einen doppelten Espresso. Plötzlich war ich wieder wach! Denn bis jetzt habe ich auf Koffein nahezu ganz verzichtet und so war die Wirkung phänomenal. Ich rauschte nun förmlich durch die Nacht und bei meinen Halluzinationen wusste ich, dass es nur ein falsches Bild ist. So ging es durch gefühlt ständig die gleichen Ortschaften in den letzten Tag hinein. Mein Betreuerteam und ich entschlossen uns nun einmal einen Gang zuzulegen. Dadurch kam mehr und mehr der Gedanke auf den letzten 400 km nochmal Gas zu geben und um Position 3 mitzukämpfen. Dies gelang mir auch richtig gut. Wir überholten weitere Solofahrer und lagen nun an Position 5. Doch ab hier begann ein neues Rennen. Denn wir begannen als Team Fehler zu machen. Ich habe mich um etwa 5 Kilometer verfahren und dann noch mein Betreuerteam das erste Mal verloren. So fuhr ich solo zurück an die Strecke und habe gewartet bis ein Fahrer mich mal überholt. Nachdem ich etwa 30-40 Minuten verloren habe, habe ich mein Team am Straßenrand weinend sitzen sehen und bin leicht stur einfach weitergefahren. Zu meinem und zu dem Unwissen meiner Betreuer war kurz danach die Timestation. Da ich ohne meine Crew dort war bekam ich später eine Penalty. Denn die Crew darf nie mehr als 250 Meter vom Radfahrer entfernt sein! Nicht entmutigen lassend bin ich dann wieder meinen Stiefel gefahren bis ich merkte, dass was mit meinem Betreuerteam nicht funktionierte. So hielt ich an und wollte, dass alles geklärt wird. Ich war nicht wirklich sauer auf mein Team, doch war ich sauer, dass das Team selber nicht funktioniert hat. Ich merkte, dass was nicht stimmte und das wollte ich nicht! Ich hielt an und musste erst meine Freundin beruhigen, die meine Mutter und meine Tante total angefahren (verbal) hat. Nach einem etwa 10minütigen Disput konnte man wenigstens wieder das Rennen aufnehmen und ich konnte wieder mal einen Konkurrenten jagen, bis sich mein Hinterrad verabschiedet hat. Platten. Aaaaaaa. Also musste ich nun die letzten 300+x Kilometer ohne dem Wattmesshinterrad fahren. Auch davon nicht entmutigend wollte ich immer noch ein Ziel erreichen! Das Ziel! Ich schwor mir, Slowenien, du machst mich nicht fertig! Komme, was wolle! So jagte ich nun wieder den Konkurrenten und war nun in meinem Element. Trotz dieser Rückschläge war immer noch Postion 3 und eine gute Zeit unter 48 Stunden möglich. Doch dann kam ein Supergau im Team! Zweimal hat man mir meinen Schwung weggenommen bei Kreisverkehren und ich wollte nun mit meinem Garmin die Strecke sehen und so befahren. Mein Garmin sagte ich solle rechts abbiegen und ich bog rechts ab. Mein Betreuerteam hupte dreimal und fuhr geradeaus weiter. Ich dachte mir, dass mein Betreuerteam gleich mal wieder irgendwann hinter mir ist und wir dann gemeinsam weiterfahren. Doch nach vier gefahrenen Kilometer war mein Betreuerteam noch nicht hinter mir. Gut! Drehe ich um. So fuhr ich wieder natürlich gegen den Wind zu der Stelle, wo wir uns verloren haben. Keiner da! Mhhh. Fahren wir mal 3 Kilometer geradeaus, wo das Betreuerfahrzeug langefahren sein sollte. Keiner da. Mhhh. Fahren wir mal in die andere Richtung, wo ich hergekommen bin. Keiner da! Ok, warten wir einfach hier an der Kreuzung. Es überholte mich mal wieder ein Konkurrent, der mir meine Bitte, mit seinem Privattelefon meine Freundin anzurufen zu dürfen, abschlug. Ich wartete dann wieder an der Kreuzung. Nach zwei Stunden Warten bin ich dann einfach geradeaus gefahren und nach knapp 10 Kilometer habe ich mein Betreuerteam wiedergefunden. Jetzt kommt es, ich war wirklich nicht sauer! Ich habe mir einfach gedacht, lerne daraus, du lernst aus diesem Rennen heute so viel, sei nicht sauer! Dinge passieren und keiner macht etwas mit Vorsatz! Und Slowenien, du machst mich nicht fertig! Es waren nun nur noch 180 Kilometer bis ins Ziel und laut Höhenprofil nur noch welliges Terrain. Ich hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben in unter 50 Stunden ins Ziel zu kommen. So fuhr ich erneut wieder ein hohes Tempo. Der Regen machte mir nichts mehr aus. Mir wurde mehr und mehr alles egal. Ab der Dunkelheit und somit bevorstehender dritter Nacht habe ich nur noch funktioniert. Ich weiß dass ich Rad gefahren bin und ständig Schlaglöchern ausgewichen bin. Zwischendurch musste ich gar selber überlegen, wo ich überhaupt bin. Ist das Pace Car überhaupt noch hinter mir? Ach ja, ein Radrennen in Slowenien! Slowenien, Du machst mich nicht fertig! Nachts hat meine Crew mit dem Crewchief Julia mich nochmals falsch navigiert und eine eigenartige Schotterstraße bergauf gejagt. Nach etwa 5 Kilometer sind wir wieder dank Michael vom Race Around Austria wieder retour und ich bin erneut von meinen Konkurrenten überholt worden. Wie viel Zeit ich verlor, das weiß ich einfach nicht mehr und war dann auch egal. Als ich erneut an meinen Konkurrenten vorbeigefahren bin, bin ich ein wenig belächelt worden für meine Leistung. Die letzten 30 Kilometer sind wir dann vom Organisationsauto bis ins Ziel begleitet worden. Die Schlaglöcher in Richtung Postojna konnte ich gut umfahren. So erreichte ich das Ziel nach etwas über 50 Stunden und bin durch meine trotz allem durchgängige engagierte Fahrweise mit 6 Minuten Vorsprung „Rookie of the Year“ geworden. Fazit: Slowenien ist ein tolles Land mit tollen Radsportfans. Die Straßenverhältnisse sind zum Teil arg gewöhnungsbedürftig. Die ganze Strecke wirkt wie der Frühling sein sollte. Grün, frisch und nicht zu kalt. Die Organisation ist sehr bemüht, freundlich und familiär. Dieses Rennen hat mir sehr viel gegeben. Es sind zwischendurch Fehler passiert, die nicht passieren sollten. Ich habe meine Betreuercrew überschätzt. Gerne würde ich weiterhin solche tolle Ultrarennen fahren, doch muss ich für die Zukunft mehr finanzielle Mittel für so ein Rennen aufbringen und darf nicht zu minimalistisch planen. Denn dann passieren Fehler. Falls jemand Ratschläge will, stehe ich immer gerne zur Verfügung. Ich hoffe euch hat der Bericht Spaß gemacht. Denn hey, Slowenien, ich habe gewonnen!
Keep Racing! Pierre Bischoff
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