530 km mit über 13.000hm unter 24 Stunden!!!
Der 3. Platz in einem international angesehenen Langdistanzrennen und bisher der einzige Deutsche auf einem Podestplatz! Damit hatte wirklich keiner gerechnet. Das RATA gibt es nun seit 2001 und führt über eine Strecke von etwa 530km und über 13.000hm quer durch die Alpen über die aneinandergereihten Bergriesen: unter anderem muss das Stilfserjoch, der Gaviapaß, der berüchtigte Mortirolo, die Skistation Aprica, der Bernina, der Albula, der Flüela, der Ofen- und Umbrailpaß bewältigt werden.
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Es war ein unglaubliches Rennen. Start war am 25. Juni 2010 um 12 Uhr. Wir waren alle aufgeregt und endlich ging das Race across the alps los. Pierre hatte nun 533 km und 13.600 Höhenmeter mit 13 Pässen vor sich. Das RATA ist anerkannt als das härteste Eintagesrennen der Welt. Als Favoriten galten der Italiener Maurizio Vandelli (45 Jahre, ehemaliger Radprofi und dreimaliger Sieger des RATA) und der Österreicher Paul Lindner (46 Jahre, zweimaliger Sieger des RATA).
Pierre wurde keinerlei Beachtung geschenkt. Als Vandelli und Lindner bereits am Anfang ordentlich Tempo machten und das Hauptfeld so hinter sich ließen, waren Pierre und der Österreicher Thomas Ramsauer (30 Jahre) die einzigen, die das Tempo mithielten. Am Stilfser Joch ließen die Jungen die Alten ziehen und fuhren ihr eigenes Tempo. Erst dort konnten wir Pierre mit dem Auto endlich einholen. Wir (Holger Bünsch von C3, Dagmar Bischoff, Anna Wolf und Claudia Bischoff) waren dann im Auto immer in unmittelbarer Nähe für die Versorgung. Pierre konnte über Funk uns mitteilen, wenn er etwas benötigte und wir fuhren zu ihm und gaben ihm das "Bestellte". Die Abfahrten waren halsbrecherisch. Unser Fahrer Holger hatte offensichtlich viel Spaß und wir hatten Achterbahnfahrten für lau. Wenn es der Verkehr zuließ, konnten wir gerade das Tempo von Pierre mithalten. Nach dem Stilfser Joch kam der Gavia Pass und der Aprica Pass. Alles lief gut. Pierre und Thomas hatten einen Mitstreiter eingefangen, den Österreicher Gerald Bauer und sie belegten Platz 3, 4 und 5. Zwischenzeitlich fing es an zu regnen. So fuhren die drei den Mortirolo hoch. Dieser Anstieg war selbst aus unserer Sicht die "Hölle", 18 Prozent durchschnittlich 24%Maximale Steigung. Pierre meinte später, dass wäre durchgängig die hohe Acht (von der Nordschleife) gewesen. Die drei Jungs wollten alleine sein, so fuhren die drei Betreuerfahrzeuge immer einige Serpentinen hoch und warteten. Plötzlich kam per Funk von Pierre die Mitteilung: "Wir haben einen Platten" Wir wussten nicht, wer von den Dreien. Das Betreuerfahrzeug von Thomas fuhr hinunter und dies war instinktiv richtig. Pierre und Gerald fuhren weiter. Schnell holte Thomas die beiden ein. Wir warteten nun am Ende des Anstiegs. Zuerst kam Gerald, dann Thomas und dann erst Pierre. Pierre sah für uns gar nicht gut aus. Er wirkte fix und fertig. Der Anstieg hatte seine Spuren hinterlassen... Da es langsam dunkel wurde, statteten wir die Räder bzw. den Helm mit Licht aus. Pierre wechselte bis auf Hose und Socken alle Sachen und bekam zusätzlich Beinlinge, wobei er von uns aus- und angezogen wurde. Thomas und Gerald warteten sogar noch auf Pierre. Während der Abfahrt konnte sich Pierre wohl wieder erholen und es ging gut weiter.
Den Aprica Pass überquerten wir noch ohne nennenswerte Komplikationen. Beim Aufstieg zum Bernina musste leider Thomas abreißen lassen. Den Albula bewältigten Pierre und Gerald noch zusammen, bis Gerald Pierre dann am Flüela Pass ziehen lassen musste. Damit war Pierre ab ca. 5 Uhr morgens für die nächsten 150 km auf sich alleine gestellt. Ganz alleine war er ja nicht, denn wir waren immer hinter ihm. Nach dem Ofenpass kam der Anstieg zum Umbrailpass und weiter hoch (dieses Mal von der anderen Seite) zum Stilfser Joch. Pierre fuhr die gesamten 16 km und 1360 Höhenmeter unermüdlich im Wiegetritt. Während des Anstiegs zwangen wir Pierre noch ein Isogel mit Salz gemischt zu sich zu nehmen. Oben angekommen hatte Pierre bereits etwa 460 km und 13.000 Höhenmeter hinter sich. Ihm ging es den Umständen entsprechend. Da er weder Gel noch Riegel sehen konnte, gaben wir ihm zwischenzeitlich auf seinen Wunsch hin Schokoplätzchen.
Die Abfahrt vom Stilfser Joch war (im Gegensatz zu den anderen Abfahrten) durch den Verkehr sehr mühsam (zumindest für uns im Auto). Uns kamen überwiegend Motorradfahrer, Rennradfahrer und Läufer entgegen. Pierre war nicht mehr zu sehen und wir hatten Mühe, ihn unten wieder einzufangen. Kurz vor dem Abbiegen (auf die Hauptstraße Richtung Reschenpass) konnte wir ihm noch über Funk mitteilen, wo die Strecke weitergeht (es gab ja keine Streckenschilder). Ein Umweg auf den letzten Kilometer hätte gerade noch gefehlt. Auf dem Weg zum Reschenpass waren wir dann endlich wieder hinter ihm. Dieser Weg war wahrlich beschwerlich. Die Steigung wurde durch einen fiesen Gegenwind erschwert und Holger fuhr mit kurzer Hose, T-Shirt und zwei Nummern zu kleinen Radschuhen mit dem Ersatzrad als Motivationshilfe mit Pierre den Reschenpass hinauf.
Um 11.30 Uhr war es dann endlich soweit: Pierre war am Ziel als Dritter – nur 15 Minuten nach Paul Lindner – angekommen. Strahlend gab er – kaum vom Rad abgestiegen – ein Interview und brachte die Zuschauer mit seinen Kommentaren zum Lachen. Pierre hat so – wie war es auch anders zu erwarten – einen guten Eindruck in Nauders hinterlassen.
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