RATA 2011 oder der kleine Sieg gegen sich selbst und die „alten Säcke“
In diesem Jahr war das Wetter überraschend gut. Obwohl das Wetter in den Tagen zuvor eher unbeständig war, hatten wir Freitagvormittag etwa 20 Grad und Sonne. Der Start dieses Jahr war mitten in Nauders und von Zuschauern gut besucht. Leider war meine Erkältung, die ich aus Deutschland mitgebracht hatte, noch nicht zu 100% auskuriert. Ein weiteres Manko für dieses Renen waren meine 71 kg Kampfgewicht, immerhin ein Kilo mehr als 2010.
Am Start wünschten mir u.a. Julia und Lisa Angerer sowie Christiane Weinot, Patric Grüner und Silvio Wildauer besonders viel Glück (jetzt alle aufzuzählen, würde hier den Rahmen sprengen) für die bevorstehenden 530 km und über 13.000 hm.
Kurz vor dem Start versuchte ich noch, jedem RATA-Teilnehmer das Beste zu wünschen. Jeder, der an diesem Rennen teilnimmt, hat schon alleine dafür Respekt verdient. Besonders viel Glück wünschte ich Silvio und Patric, die mir seit letztem Jahr sehr ans Herz gewachsen waren, da ich davon ausging, am Start noch eher die Zeit für die beiden zu haben als während des Rennens.
12:00 Uhr - Startschuss!
Von Anfang an fuhren wir ein hohes Tempo und erreichten noch als geschlossenes 10 Mann starkes Feld den Reschenpass, wobei sich Paul Lindner schon deutlich absetzen konnte.
Am Fuß des Stilfser Jochs angekommen, folgte ich meiner selbst auferlegten Anweisung: „Fahre einfach deinen eigenen Rhythmus! Lass dich nicht reizen schneller zu fahren!“
Unter ständigen Anfeuerungen von Patrics Betreuern und dem Team vom David Rihtaric ging es nach 2h30min über die Passhöhe des Stilfser Joch auf 2757 Metern. Allerdings bekam ich während des Aufstiegs auch schon erste Probleme: leichte Magenprobleme und mein Puls sank stark ab. Bei der ersten langen und schnellen Abfahrt Richtung Bormio hatte ich aber genug Zeit, um mich wieder etwas zu erholen. Gemütlich, auf Position 6 liegend, ging es den Gaviapass hinauf. Gemütlich deswegen, da mein Körper schon wieder „müde“ war und ich nur mit einem 160er Puls fahren konnte. Während des Anstieges habe ich dann angefangen, meine Ernährung eher auf feste Nahrung, Cookies oder Schokobrötchen umzustellen, was zumindest meinen Magen beruhigte.
Nach der wunderbaren Abfahrt vom Gaviapass, bei der ich es richtig „krachen“ lassen konnte, ging es dann Richtung Apricapass, wo ich einen Kontrahenten (die Startnummer 27) einholen konnte. Zusammen ging es mit einem weiteren Italiener (dem späteren Dritten) den Passo di Mortirolo hinauf. Vor diesem sehr steilen Pass hatte ich vor dem Rennen am meisten Angst. Mit Puls 145 (mehr ging einfach nicht) fuhr ich dann doch überraschend gut den Berg hinauf. Oben angekommen zog ich mich – wie auch letztes Jahr – das erste Mal um.
Erneut ging es dann in eine rasante Abfahrt in Richtung Apricapass, den ich nun zum zweiten Mal überwinden musste. Während der Abfahrt holte ich wieder die Nummer 27, der mir am Mortirolo davon gefahren war, wieder ein. Da er aber bei unserer ersten Begegnung wenig bis keine Führungsarbeit leistete, hielt ich das hohe Tempo, um ihm davon zu fahren. Dies gelang mir mit einigen gewagten Überholmanövern, durch die ich eine große Lücke erzeugte, die er nicht mehr „zufahren“ konnte.
Zu meiner Überraschung traf ich auf dem Weg zum Berninapass dann einen „alten Sack“: Mauricio Vandelli, den Vorjahressieger. Dieser hatte heute einen schlechten Tag erwischt, er verlor am Mortirolo bereits knapp 30 Minuten durch Magenkrämpfe.
Nun galt es für mich während des Anstiegs zum Bernina, Mauricio von meinem Hinterrad zu trennen. So startete ich zwei kleinere Attacken, die er allerdings mitgehen konnte. Nach einem Ausreißversuch seinerseits, dem ich folgen konnte, hatte ich mich damit abgefunden, ihn in meinem Windschatten zu haben. Ich beschloss, einfach nur mein Tempo zu fahren. Kurz darauf hatte Mauricio einen heftigen Wadenkrampf (durch den er das Rennen aufgeben musste) und ich war wieder alleine unterwegs.
Mit dem guten Gefühl, den Vorjahressieger hinter mir gelassen zu haben, ging es dann den Berninapass weiter hinauf. Oben angekommen erhielt ich die Information, dass ich auf dem zweiten Platz lag. Der unspektakulären Abfahrt Richtung St. Moritz folgte nun der Albulapass. Hier bemerkte ich, dass ein anderer Teilnehmer immer näher kam. Da ich nur die Scheinwerfer seines Betreuerfahrzeuges sah, wusste ich nicht, wer da aufholte. Zu diesem Zeitpunkt war mir das auch egal, weil ich mich noch ganz gut fühlte, obwohl mein Maximalpuls auf nur noch 145 Schläge pro Minute gefallen war.
Dann ging es weiter Richtung Davos und ich spürte die immer kühler werdenden Temperaturen. Dadurch bekam ich erkältungsbedingt schlechter Luft und dann auch noch leichte Kreislaufprobleme. Laut meiner Betreuer hatte ich sogar wirklich Schwierigkeiten, geradeaus zu fahren. Auf dem Weg zum Flüelapass überholten mich dann die später Zweit- und Drittplatzierten. Da mein Puls gerade noch bei 110 Schlägen lag, hatte ich dem nichts entgegenzusetzen und dachte kurz ans Aufgeben. Doch dann kam eine große Motivationshilfe!!! Gernot (der Veranstalter des RATA) sagte: „Du kannst doch nun nicht aufgeben, es warten so viele Menschen im Ziel auf dich. Und besonders Lisa, Julia und Christiane. Die kannst du doch nicht enttäuschen.“
Wenn er gewusst hätte, wie schwer es mir fiel, überhaupt auf dem Rad zu bleiben. Gut, dachte ich mir, reiß dich zusammen... Also nahm ich viel Süßes zu mir, habe viel getrunken und gehofft, dass sich mein Körper wieder erholt. Naja, es ging dann auch irgendwie weiter. Allerdings nur sehr langsam quälte ich mich mit Pulswerten von 110-120 die nächsten Berge hoch. So überzwang ich den Flüelapass, den Ofenpass (der wirklich furchtbar unrhythmisch ist) und dann den Umbrailpass hinauf. Als Belohnung hatte ich immer wieder tolle Abfahrten, bei denen ich mir sogar von der (einheimischen) Rennleitung anhören durfte, wie rasant ich bergab fahre.
Nach dem Umbrail wurde mir dann klar, dass ich den 4ten Platz behalten würde, sofern mir nichts mehr passiert. So ging es dann als letzten Anstieg den Reschen hinauf. Im Kopf schon quasi beim Zieleinlauf und mit den Gedanken bei den wichtigen Dingen im Leben: „Wem sagst du zuerst danke? Wo kriegst du einen Milchshake her? Hoffentlich ist die Dusche warm!“ Durch meine gedankliche Abwesenheit wurde ich durch den Überholversuch eines LKWs in die Wiese abgedrängt. Naja, wie halt Gernot sagte, ist man mit dem Kopf nicht bei der Sache, dann kommen Fehler.
Kurz vor dem Ende des Passes kam dann eine wahnsinnige Motivationshilfe: Manni von der Rennleitung war da! Begleitet wurde er von Julia, was mich sehr freute. Das und die Aussicht auf den baldigen Zieleinlauf ließen meinen Puls wieder höher schlagen. So jagte ich dann der Rennleitung mit Puls 140 und 50 km/h hinterher. Denn nun wollte ich einfach nur schnell ins Ziel, war happy und einfach froh. Ich schickte, nachdem wir den Reschenpass nun überquert hatten, schon mal meine Betreuer vor, denn ich wollte mit Ihnen zusammen ins Ziel fahren. Denn ohne dieses Team, also meine Mutter, Claudia und Holger könnte ich solche Strapazen gar nicht überwinden.
Bergab und nun mit den nächsten Gratulanten ging es immer näher Richtung Nauders. Denn es kamen noch zwei weitere Fahrzeuge der Rennleitung dazu. Geschmeichelt und berührt von so viel Aufmerksamkeit war ich nun von drei Begleitfahrzeuge umgeben. Die letzte Abfahrt Richtung Nauders war viel zu schnell vorbei.
Kurz vor dem Ziel traf ich dann auch meine Betreuer wieder. Wir überquerten, wie es sich für ein Team gehört, als eine Einheit die Ziellinie. Danach brachen wir alle in Jubel aus und ich musste erst einmal jeden umarmen.Es hat mich überwältigt wie herzlich ich von den Zuschauern (besonders natürlich auch von den ASV-Teilnehmern des DreiLänderGiro) empfangen worden bin. Selbst heute noch, fünf Tage danach, grinse ich immer noch, wenn ich an diese tollen Momente zurückdenke. Ein Interview musste ich natürlich auch direkt geben, bevor ich meinen lang ersehnten Milchshake genießen durfte.
An dieser Stelle möchte ich mich nochmals besonders bei folgenden Menschen bedanken: Anna, du warst auf meinem Rahmen und in meinem Herzen immer dabei; Claudia und Mama, dafür, dass ihr mein divenhaftes Verhalten auf dem Rad ertragen habt; Holger, du alte Rennsau; Gernot, für ein wieder super organisiertes Event und den Zuspruch am Flüelapass; Manni, die 100€ darfst du bald setzen; Lisa, Julia und Christiane für das Vergnügen und die Verpflegung rund um den RATA; Familie Agerer, für die Dokumentation der vielen schönen Momente; Patric Grüner, der mir noch mehr Freund geworden ist während des RATA; und jeden, den ich bis jetzt vergessen habe...
Vielen, vielen Dank...
So keep racing und wir sehen uns spätestens 2012 wieder.
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